Nachrichtentruppe der NVA 1952 - 1990
Entstehung und Ende der Nachrichtentruppe der Nationalen Volksarmee

Die sich in zwei grundverschiedenen Richtungen vollziehende Nachkriegsentwicklung in Deutschland war letztlich Folge und Ausdruck des machtpolitischen Ringens der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges um die Aufteilung der Einflußsphären in Europa. Demzufolge kam es im Sog des Kalten Krieges zur Wiederbewaffnung Deutschlands, die von den Führungsmächten der beiden Bündnissysteme im jeweiligen Teil des gespaltenen Deutschlands politisch gewollt und vorangetrieben wurde. Und damit erhielten die neu entstehenden nationalen Streitkräfte auch wieder ihre Führungstruppen. Obwohl ihr Aufbau grundsätzlich den Vorgaben der Siegermächte - später Bündnispartner - zu folgen hatte, flossen auch nationale Erfahrungen, insbesondere der einstigen Wehrmacht-Nachrichtentruppe ein. Letztlich waren es ehemalige Angehörige dieser Truppengattung, die auf beiden Seiten - allerdings in unterschiedlich großer Anzahl - wieder aktiv wurden und den Aufbau und die Entwicklung vorantrieben.

Nach der offiziellen Geschichtsschreibung der DDR galt der 10.Februar 1956 - das Datum des Befehls Nr.1/56 über die Aufstellung der Stäbe, Verbände und Truppenteile der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums für Nationale Verteidigung - auch als Zeitpunkt für die Entstehung ihrer Nachrichtentruppen. Danach wurden gebildet:

Von der sowjetischen Armeeführung veranlaßte Korrekturen führten kurze Zeit später zur Umbildung der noch im Aufbau befindlichen Divisionen in 2 Panzer- und 5 Motorisierte Schützen-Divisionen, was naturgemäß auch Veränderungen in der Struktur ihrer Nachrichtenbataillone zur Folge hatte.

In der Fernsprechzentrale eines Gefechtsstandes Im Betriebsraum einer Funkstelle großer Leistung

Die Formierung der vorstehend genannten Nachrichteneinheiten erfolgte - wie auch aller anderen Truppenteile - auf der Basis bestehender, mehr oder weniger stabiler Stammformationen der Kasernierten Volkspolizei. Ihren Ursprung hatten diese im Befehl des Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom 3.Juni 1948, der die Bildung von Polizei-Schulen und. -Bereitschaften anordnete, die im Oktober mit der polizeilichen und militärischen Ausbildung begannen. Als die polizeilichen Grenzsicherungsaufgaben am 20.Juli 1949 auf die Landespolizeibehörden übergingen, war die am 14.Oktober 1949 gebildete "Hauptverwaltung Ausbildung" nunmehr allein verantwortlich für die Vorbereitung der militärischen Kadereinheiten. Dabei hatte sie strikt den Vorgaben der SMAD zu folgen, die auf allen Führungsebenen von sowjetischen Offizieren - sogenannten "Beratern" - in der Praxis umgesetzt wurden. Ende 1950 erhielten die Polizei-Bereitschaften eine typische Regimentsstruktur mit einer als "S-2-Abteilung getarnten zahlenmäßig kleinen Nachrichtenkompanie, deren Anfangsausrüstung aus Beständen der Wehrmacht kam oder von der Sowjetarmee entliehen wurde. Eine erneute Umorganisation, beginnend im Mai 1952 ließ schließlich die Kasernierte Volkspolizei entstehen, deren Verbände die Gliederung - jedoch nicht den Kampfwert - von Divisionen aufwiesen. Ihre Nachrichtenbataillone lehnten sich eng an die Struktur der Nachrichtenbataillone sowjetischer Divisionen an, die aus einer Fernsprech-/Fernschreib- und einer Funk-Kompanie bestanden. Unbestritten bleibt, daß nur durch die Existenz dieser Formationen der im März 1956 einsetzende Formierungsprozeß auch bei der Nachrichtentruppe der NVA bis Jahresende weitgehend abgeschlossen werden konnte.

Die weitere Entwicklung der NVA und ihrer Nachrichtentruppe folgte den Vorgaben und Ansprüchen der politischen Führung und den sich aus den Verpflichtungen der DDR als Teil der Militärkoalition des Warschauer Vertrages ergebenden Organisationsänderungen der Bündnisstreitkräfte. So wuchsen z.B. mit der Herausbildung der Mobilmachungsfunktion der Militärbezirke als Armeestäbe deren Nachrichten-Bataillone zu Nachrichten-Regimentern auf und das Nachrichtenregiment des Ministeriums wurde zur Brigade erweitert. Außerdem kam es zur Aufstellung zahlreicher neuer bzw. zur Verstärkung und Komplettierung bestehender Nachrichtenformationen u.a. von Richtfunk- und Kabelbau-Kompanien, -Bataillonen und -Regimentern und zur Formierung eines Nachrichten-Instandsetzungs-Regiments, das dem Minister für Post- und Fernmeldewesen unterstellt war.

Die organisatorische Weiterentwicklung und die Erreichung eines hohen Grades an Einsatzbereitschaft in Verbindung mit der sich seit den siebziger Jahren immer mehr auswirkenden Modernisierung der technischen Nachrichten- und Führungsmittel ließ die Nachrichtentruppen der NVA schließlich zu einer modernen Führungstruppe reifen. Anfang der achtziger Jahre konnten ihre Truppenteile die von der Führung verlangten Nachrichtenverbindungen bereits ohne Mobilmachung nur mit dem Soll-I-Personal (Friedensstärke) herstellen und begrenzte Zeit, später auch ohne zeitliche Einschränkung unter allen Lagebedingungen halten und betreiben. Die nachfolgenden Jahre waren gekennzeichnet durch den weiteren Ausbau der Nachrichtenverbindungen der NVA zu einem integrierten Bestandteil des "Einheitlichen Nachrichtensystems der Vereinten Streitkräfte auf dem Kriegsschauplatz". Dabei bildete die Erhöhung der Standhaftigkeit der Verbindungen den Schwerpunkt. Letzendlich konnte die Nachrichtentruppe der NVA mit Hilfe automatisierter Nachrichtenzentralen und Verbindungslinien, die zu einem einheitlichen operativen Informationssystem mit feststehenden Prinzipien der Adressierung, Übertragung und Verteilung vereinigt waren, allen Anforderungen der nationalen und paktgebundenen Truppenführung gerecht werden. Die Vereinigung beider deutscher Staaten im Jahre 1990 bedeutete dann das Ende der Nachrichten- und Flugsicherungstruppen der NVA.

Auszüge aus meinen Zeittafeln u.a. Datensammlungen
zur Formationsgeschichte der Nachrichtentruppe der Nationalen Volksarmee

01.10.1948
Beginn der Ausbildung an den gemäß Befehl der SMAD vom 3.Juni 1948 aufgestellten 10 Bereitschaften zu je 250 Mann nach Vorschriften der Polizei und Wehrmacht. Zum Bestand der Polizei-Bereitschaften gehören Fernsprech- und Funktrupps.

01.06.1949
Nach der von der SMAD befohlenen Aufstellung zentraler Polizeischulen nimmt in Pirna / Elbe eine als "D-Schule" getarnte Nachrichtenschule den Lehrbetrieb mit 2 Fernsprech- und 2 Funk-Kompanien zur Heranbildung von Nachrichtenoffizieren auf. Später erhöht sich ihre Anzahl auf 5 Fernsprech- und 3 Funk-Kompanien.

22.11.1950
Aus den bisherigen 39 Polizei-Bereitschaften bilden sich 24 gemischte Bereitschaften - in Regimentsstruktur - u.a. mit einer Sonderabteilung "S 2" als Nachrichtenkompanie mit einer Kopfstärke von etwa 70 - 80 Mann.

01.10.1951
Aufstellung eines "Nachrichten-Kommandos" für die Hauptverwaltung Ausbildung in Niederlehme bei Königswusterhau-sen.

28.06.1952
Die Hauptverwaltung für Ausbildung wird zum Stab der Kasernierten Volkspolizei (KVP) umgebildet. Außerdem werden die Territorialverwaltungen (TV) Nord (Pasewalk) und Süd (Leipzig) mit je drei neu gegliederten Bereitschaften aufgestellt. Beide Territorialverwaltungen und jede der KVP-Bereitschaften erhalten ein Nachrichtenbataillon. Bislang erfolgte die Ausbildung der Polizei-Nachrichtentrupps an Beutegeräten der Sowjetarmee: 5-W-Kurzwellen-Sender, Tornisterempfänger "b", 10-Watt-UKW-Panzer-funkgeräte, Feldfunksprecher"f", Dezimeter-Richtfunkgeräte "Michael" (DMG-5), Feldklappenschränke für 10 bis 60 Teilnehmer, FF 33, Fernschreiber ST "Siemens" und Feldkabel sowie an gebrauchtem Nachrichtengerät der Sowjetarmee. Mit der 1952 beginnenden Umstrukturierung der KVP werden schrittweise weitere Geräte der Sowjetarmee, Funkgeräte kleiner Leistung RBM (tragbar) sowie mittlerer und großer Leistung RSB und RAF (auf Kfz) aber auch erste Erzeugnisse aus der DDR-Produktion wie z.B. die Funkgeräte Fk 1 (tragbar) und Fk 50 (auf Kfz), sowie Richtfunkgeräte RVG 902 e, Trägerfrequenz- und Wechselstrom-Telegraphietechnik, Feldvermittlungen und verschiedene Feld- und Feldfernkabel in die Ausrüstung aufgenommen.

10.02.1956
Auf der Grundlage des Beschlusses der Volkskammer der DDR vom 18.Januar 1956 und des Befehls Nr.01/56 des Ministers für Nationale Verteidigung beginnt die Umformierung der KVP zur Nationalen Volksarmee.

25.05.1956
Aus dem im Oktober 1951 gebildeten "Nachrichten-Kommando" entsteht das Nachrichtenregiment Niederlehme. 1968 erhält der Truppenteil den Namen "Fritz Große", eines kommunistischen Widerstandkämpfers gegen den Nationalsozialismus und am 1.November 1982 wird das dem Chef Nachrichten direkt unterstellte Nachrichtenregiment 2 zur 2. Nachrichten-Brigade erweitert.

Das Nachrichten-Regiment 2 im Jahre 1958

01.10.1963
Der Minister für Nationale Verteidigung der DDR befiehlt die Zusammenfassung der bis dahin bestehenden 13 Offiziersschulen der Waffengattungen, Spezialtruppen und Dienste zu je einer Offiziersschule der Teilstreitkräfte. Damit wird die bisherige Nachrichtenschule in Döbeln zu einer Struktureinheit der neuen Offiziersschule der Landstreitkräfte.

01.12.1988
Der Chef Nachrichten der NVA wird Stellvertreter des Chefs des Hauptstabes und mit der Führung der Verwaltungen Nachrichten (N), Automatisierte Truppenführung (AT) und der Abteilung Funkelektronischer Kampf (FEK) beim Ministerium für Nationale Verteidigung beauftragt. Zu diesem Zeitpunkt zählen zu den Nachrichten- und Flugsicherungstruppen der NVA
Für den Führungs- und Verbindungsdienst:

Für den Funkelektronischen Kampf:

02.10.1990
Mit der Herauslösung der DDR aus dem Warschauer Vertrages (24.09.1990) und dem Inkrafttreten des Beitritts ihrer Länder zur Bundesrepublik Deutschland endet die Geschichte der Nationalen Volksarmee und ihrer Nachrichtentruppen.